Zu wenig Plätze: Keine gerechte Förderung für den Para Sport
Bei den jüngsten Welt- und Europameisterschaften glänzten die deutschen Para Sportler*innen und brachten etwa von der Para Schwimm-WM sowie der Para Leichtathletik-WM jeweils eine zweistellige Anzahl an Medaillen mit nach Hause. Hinzu kamen zahlreiche Top-Platzierungen von Sportler*innen mit vielversprechender Perspektive. Doch während der deutsche Para Sport sich beim internationalen Kräftemessen in der Weltspitze behauptet, droht er nach vielen Verbesserungen in den vergangenen Jahren bei der individuellen Athletenförderung abgehängt zu werden. Durch das Anfang 2025 eingeführte neue Förderkonzept der Sporthilfe stehen dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) zu wenig Förderplätze zur Verfügung, so dass perspektivreichen Athlet*innen nahezu der Wegfall der Förderung droht.
„Grundsätzlich hat sich die Qualität der Athletenförderung in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt, insbesondere durch die Unterstützung des Bundes. Es sind viele wichtige und richtungweisende Entscheidungen getroffen worden. Doch bei aller Freude über eine gute und angemessene Entwicklung können wir nicht zur Tagesordnung übergehen, wenn das neue Förderkonzept der Sporthilfe keine gerechte Förderung für den Para Sport vorsieht“, sagt DBS-Vizepräsident Dr. Karl Quade. Die Unverhältnismäßigkeit zwischen olympischem und paralympischem Sport bei der Förderung zeigt sich beim Blick auf die Zahlen deutlich: Während es für olympische Athlet*innen rund 1700 Förderplätze gibt bei zuletzt knapp 620 Teilnehmenden an den vergangenen Olympischen Spielen im Sommer und Winter, sind es im Para Sport weniger Plätze als Teilnehmende. So stehen für die rund 200 Athlet*innen, die an den Paralympics in Paris am Start waren und in Italien eine Teilnahme anstreben, nur 160 Förderplätze zur Verfügung.
„Leistung muss belohnt werden – wer sich diesem Grundsatz verpflichtet, kann nicht denjenigen die Förderung streichen, die erfolgreich Leistung bringen und eine herausragende Perspektive haben. Wir plädieren dafür, dass potenzielle Teilnehmende an den Spielen generell eine angemessene Förderung erhalten“, betont DBS-Vizepräsident Quade. Im olympischen Sport sei das der Fall, es gebe sogar einen beträchtlichen Spielraum mit fast dreimal mehr Förderplätzen als Teilnehmenden. „Das Missverhältnis zwischen olympischem und paralympischem Sport im Zuge der Einführung des neuen Förderkonzepts ist für den Para Sport in Deutschland nicht akzeptabel und trägt den Leistungen der Athletinnen und Athleten nicht ausreichend Rechnung.“ Damit sei eine Chance verpasst worden, auch die quantitative Förderung des paralympischen Sports an die des olympischen Sports anzupassen. Dr. Karl Quade: „Wir appellieren an alle Beteiligten, eine gerechtere Verteilung der Fördergelder zu erwirken, zumal diese zum Großteil aus Bundesmitteln bestehen. Auch müssen die besonderen Anforderungen des Para Sports endlich berücksichtigt und vollumfänglich anerkannt werden. Wir stehen in der Verantwortung gegenüber unseren Sportlerinnen und Sportlern, uns für angemessene Rahmenbedingungen und eine faire Förderung einzusetzen. Gleichzeitig stehen wir für konstruktive Gespräche stets zur Verfügung.“
Schmerzhafte Auswirkungen für bis zu 40 paralympische Athlet*innen
Denn für bis zu 40 paralympische Athlet*innen könnten schmerzhafte Auswirkungen eintreten. Im Schlimmsten Fall drohen Kürzungen bei der Fördersumme von fast 90 Prozent. Weiter zugespitzt hat sich die Situation durch einen historischen Erfolg: Deutschlands Para Eishockey-Nationalmannschaft qualifizierte sich erstmals seit 20 Jahren wieder für die Paralympics, so dass 17 Sportler zusätzlich eine Förderung verdient hätten. Stattdessen muss nun gestrichen werden und es könnten Härtefälle bei Athlet*innen entstehen, die mit ihren Leistungen eine klare Perspektive für kommende Paralympics aufgezeigt haben. Dabei werden im paralympischen Sport ohnehin schon strengere Kaderkriterien angewendet mit mindestens Platz acht bei Weltmeisterschaften, jeweils unter Berücksichtigung der Teilnehmerzahlen und der individuellen Medaillenperspektive.
Auch für Mareike Miller, Rollstuhlbasketball-Nationalspielerin und Gesamt-Aktivensprecherin im DBS, ist der Status quo nicht nachvollziehbar: „Leider entfernen wir uns erneut mehr vom Anspruch einer angemessenen Athletenförderung des paralympischen Sports. Die Förderung spiegelt bis heute nicht die Wirklichkeit der Erfolge und Bedarfe wider: zu wenig Budget für paralympische Athlet*innen, zu wenig Förderplätze sowie zu viele Hürden und Regeln. So kämpfen viele von uns nicht nur um Medaillen, sondern auch darum, sich eine Karriere im Sport überhaupt leisten zu können. Für viele ist und bleibt die Nationalmannschaft im Parasport selbst bei Paralympics Teilnehmern und Medaillengewinnern ein Hobby. Das kann weder Ziel noch Anspruch der durch den Bund und die Stiftung Deutsche Sporthilfe mit vielen Millionen Euro finanzierten Athletenförderung sein.“
Ein Blick ins Ausland zu vergleichbaren Nationen zeigt die Unterschiede auf: So entfällt in Australien ein Viertel des Leistungssportetats auf den paralympischen Sport. Im Nachbarland Frankreich sind gut 23 Prozent der Athlet*innen, die eine Individualförderung erhalten, dem Para Sport zuzuordnen. Hierzulande hat hingegen der olympische Sport im Zuge des neuen Förderkonzepts der Sporthilfe nun mehr als zehnmal so viele Förderplätze wie der paralympische Sport. Eine Schieflage, die weder zeitgemäß noch angemessen ist und den Leistungen der Para Athlet*innen nicht gerecht wird.
Quelle DBS
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