Samstag, 5.3.2022
3 Medaillen im Para Biathlon
Marco Maier hatte schon einige Interviews in der Mixed-Zone hinter sich und seine unermessliche Freude über Silber im Biathlon-Sprint 45,8 Sekunden hinter dem wie er fehlerlosen Ukrainer Grygorii Vovchynskyi (16;17.6 Minuten) und 10,2 Sekunden vor Mark Arendz aus Kanada (zwei Fehler) geführt, da wurde er plötzlich zur Jury gerufen. Die hatte Redebedarf, weil sich die Feder, auf der sein Gewehr beim Schießen aufliegt, sich leicht verbogen hatte – ein Verstoß gegen die Regeln. Es drohte eine Disqualifikation.
Bange Minuten vergingen, bis klar war: Maier behält Silber; er kam mit einer Verwarnung davon. „Die Feder darf sich eigentlich nicht bewegen. Für die Sportler ist das aber extrem schwierig zu kontrollieren. Niemand im Feld verstößt absichtlich gegen diese Regel, Marco am wenigsten“, sagte der Bundestrainer Ralf Rombach nach dem Happyend für den Allgäuer. „Diese Medaille bedeutet mir alles. Dass dieser Wunsch Realität geworden ist, ist unglaublich“, sagte der 22-Jährige vom SV Kirchzarten. Dem zweiten Deutschen, seinem Vereinskameraden Alexander Ehler, merkte man im ersten Rennen nach seiner Corona-Infektion den Trainingsrückstand noch an. Er landete mit sieben Schießfehlern auf Platz 16.
Ein Herzinfarkt für die Mama
Gleich doppelt freuen durften sich die deutschen Frauen mit Sehbeeinträchtigung. Beim Sieg der Ukrainerin Oksana Shyshkova (20:09.0 Minuten, kein Schießfehler) kamen Linn Kazmaier (SZ Römerstein, mit Guide Florian Baumann) 5,8 Sekunden und Leonie Walter (SC St. Peter, mit Guide Pirmin Strecker) 30,0 Sekunden dahinter auf zwei und drei ins Ziel. Beide Deutschen, wie Marco Maier Paralympics-Debütanten und große Versprechen für die Zukunft, leisteten sich je einen Schießfehler.
„Ich wollte eigentlich null bleiben, weil meine Mutter gesagt hat, sie kriegt einen Herzinfarkt, wenn ich einen Fehler schieße“, verriet die erst 15-Jährige Linn Kazmaier. Die Vorstellung, am Sonntag eine Medaille zu erhalten, war für sie da noch kaum fassbar. Leonie Walter (18) sprach von einem „wunderbaren Gefühl“. Die dritte Deutsche, Johanna Recktenwald (Biathlon Team Saarland, mit Guide Valentin Haag) kam nach Problemen am Schießstand (zwei Fehler) und auf der Strecke auf Rang sieben. „Es hat mir den Stecker gezogen. Das Rennen war richtig, richtig hart.“ Bei den Männern mit Sehbeeinträchtigung musste Nico Messinger (Ring der Körperbehinderten Freiburg, mit Guide Robin Wunderle) dreimal in die Strafrunde, war als Siebter aber dennoch zufrieden. „Läuferisch habe ich mich besser gefühlt als zuletzt. Es geht bergauf.“
„Mehr als zufrieden“ mit der Ausbeute des Nachmittags im Zhangjiakou National Biathlon Centre war der Bundestrainer Ralf Rombach. „Was Marco gegen die Konkurrenten von Weltniveau gezeigt hat, war überragend. Bei den Frauen mit Sehbeeinträchtigung haben wir uns schon etwas ausgerechnet, nachdem die Russinnen nicht starten durften. Dass es so gut läuft, war aber nicht zu erwarten gewesen“, sagte er.
Foster gewinnt erste Medaille
Glänzende Fahnenträgerin: Monoskifahrerin Anna-Lena Forster raste trotz kurzen Schlafs in der Abfahrt bei den Paralympics in Peking auf Platz zwei und freute sich trotz der Chance auf Gold auch über Silber.
"Ich freue mich riesig. Ich bin super erleichtert, dass ich eine Medaille mitnehmen kann“, sagte Anna-Lena Forster nach dem Gewinn der ersten deutschen Paralympics-Medaille in Peking, die für die 26-Jährige vom BRSV Radolfzell auch das erste paralympische Edelmetall in einer Abfahrt bedeutete. In 1:30,59 Minuten blieb sie nur 0,82 Sekunden hinter ihrer japanischen Dauerrivalin Momoka Muraoka, in deren Abwesenheit sich Forster im Januar bei der WM in Lillehammer zur Abfahrts-Weltmeisterin kürte. Bronze ging an Sitong Liu aus China.
"Die Chance auf Gold war da, ganz klar. Ich habe heute leider nicht ganz die Performance abrufen können, wie ich eigentlich fahren kann und die ich auch im zweiten Abfahrtstraining gezeigt habe“, sagte Forster, die in den ersten beiden Trainings mit großem Vorsprung die Beste war, und gratulierte der Japanerin: „Momoka ist stark und sie war heute einfach die Schnellere. Jetzt freue ich mich über Silber."
Die deutsche Fahnenträgerin hatte nur fünf Stunden Schlaf
Nach der Eröffnungsfeier war Forster erst gegen 23 Uhr im Dorf und kurz vor 0 Uhr im Bett, fünf Stunden später klingelte der Wecker, doch für die Psychologie-Studentin war das „gar kein Problem. Dass man vor so einem Rennen nicht ganz ruhig schläft, ist auch logisch. Aber mir tat es mit der Eröffnungsfeier total gut, einfach nochmal ein bisschen Motivation zu schöpfen, ein bisschen Abwechslung. Das hat gut gepasst."
Mit der Medaille fiel von der Vierfach-Weltmeisterin aus Lillehammer auch eine große Last ab. In Norwegen Anfang des Jahres war Muraoka coronabedingt nicht vor Ort, die zwei Chinesinnen fehlten und die Niederländerin Barbara van Bergen kam wie in der Abfahrt in Yanqing nur selten ins Ziel. Forster machte es besser und belohnte sich mit vier Goldmedaillen, wenngleich sie nicht immer zufrieden war mit ihrem Ski fahren. Dass nun zu den Paralympics ihre Konkurrenz wieder da ist, schockt sie nicht: „Es zeigt einfach, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass ich Gold hole. Die Konkurrenz ist stark und das war sie bei der WM eben nicht. Von daher bin ich super erleichtert, dass ich hier mitmischen kann. Vielleicht kommt ja noch mehr."
Im Super-G am Sonntag, der Super-Kombination, im Riesenslalom und im Slalom hat Forster, die eher als Technik-Spezialistin gilt und 2018 Paralympics-Siegerin in der Super-Kombi und im Slalom wurde, noch vier weitere Medaillenchancen: „Die Abfahrt ist ein guter Anfang. Ich habe jetzt Rückenwind mit einer Medaille und jede, die noch dazukommt, ist natürlich super."
Bundestrainer Justus Wolf sah auch, dass Gold möglich gewesen wäre, aber „in zwei, drei Passagen sind wir nicht ganz so ideal gefahren. Aber so ist das halt im Medaillenrennen. Wenn man versucht ans Limit zu gehen, geht es halt nicht immer auf.“ Dennoch war Wolf zufrieden: „Das nimmt ein bisschen Druck raus. Mit Blick auf den Super-G ist das so, dass wir sehr zuversichtlich sein können.“ Beim zweiten Start am Sonntag hofft der Bundestrainer, dass Forster ihre Fähigkeit, neue Strecken schneller als ihre Konkurrenz zu erfassen, nutzen kann: „Im Super-G gibt es keine Befahrung vorher und in den ersten beiden Abfahrts-Trainings ist sie ja auch viel besser gefahren als die anderen.“
Andrea Rothfuss belegte einen starken und unerwarteten vierten Platz und verpasste die Medaille nur knapp. Noemi Ristau mit Guide Paula Brenzel sowie Leander Kress schieden auf der anspruchsvollen Piste in Yanqing aus.
Text: DBS PM
Foto: Oliver Kremer / DBS
Sonntag, 6.3.2022
„Extrem eng und spannend“: Forster holt zweites Silber im Super-G
Anna-Lena Forster hat bei den Paralympics in Peking nach Platz zwei in der Abfahrt auch Silber im Super-G gewonnen. Mit nur 0,11 Sekunden Rückstand musste sie sich erneut der Japanerin Momoka Muraoka geschlagen geben.
„Das gibt’s doch nicht“, rief Anna-Lena Forster und möglicherweise schob sie auch noch einen Fluch hinterher, doch als Momoka Muraoka die Ziellinie überquerte, war deren Zeit grün und bei Forster fortan +0,11 Sekunden hinter dem Namen zu sehen. Elf Hundertstel trennten die deutsche Fahnenträgerin, die am Tag zuvor bereits Silber hinter der Japanerin geholt hatte, somit von ihrem ersten Paralympics-Sieg in einer Speed-Disziplin, doch darauf muss die 26-Jährige vom BRSV Radolfzell weiter warten. "Es war so knapp und ich hätte noch viel besser fahren können. Ich habe einiges liegengelassen, da ärgere ich mich über mich selbst“, sagte Forster, hinter der die Chinesin Wenjing Zhang mit weniger als einer halben Sekunde Rückstand auf Bronze fuhr. Weil es so eng war und die Konkurrenz so gut drauf ist, war bei der Psychologie-Studentin aus Freiburg der Ärger schnell verflogen: „Es ist nochmal eine Medaille, das ist doch auch cool."
Denn im Gegensatz zur Weltmeisterschaft in Lillehammer, als Forster unter anderem im Super-G insgesamt vier WM-Titel mit großem Vorsprung einheimste, waren die drei Fahrerinnen auf dem Podium nur 0,58 Sekunden auseinander. Die Abfahrts-Bronzemedaillengewinnerin Sitong Liu schied aus, die Niederländerin Barbara van Bergen ist auch immer gefährlich. Für Forster ist die wieder vorhandene Konkurrenzsituation aber eine willkommene, weil sie selbst ans Limit gehen muss, was sie in Norwegen vermisst hatte: „Es macht so viel mehr Spaß. Man weiß, dass man richtig Gas geben muss, sonst klappt es nicht. Wenn die anderen durchkommen, ist es extrem eng und spannend.“
Schon am morgigen Montag wartet der dritte Wettbewerb in Folge auf Forster – nach zuvor drei Abfahrtstrainings und einem Tag Ski-Pause, an dem sie die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier trug. Der eigentlich freie Montag wurde nun gestrichen, weil die Super-Kombination wegen der angekündigten warmen Temperaturen in Yanqing vorgezogen werden muss. „Ich hatte mich schon auf den Tag Pause gefreut. Aber es ist, wie es ist. Wir müssen da immer flexibel bleiben. Ich bin parat für morgen und freue mich auf die kurzen Ski“, sagte Forster, die nach der Flower Ceremony im Zielbereich und einer länger als geplanten Dopingkontrolle dann noch mal auf den Berg fuhr und ein paar Slalom-Schwünge fürs Gefühl machte.
Text: DBS PM